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Pressemitteilungen - Archiv

Zur Einführung der verlässlichen Grundschule in Sachsen-Anhalt:

25.07.2002, Magdeburg – 98

  • Bildungsministerium

 

 

 

Kultusministerium - Pressemitteilung Nr.: 098/02

 

Magdeburg, den 25. Juli 2002

 

 

Zur Einführung der verlässlichen Grundschule in Sachsen-Anhalt:

 

Kultusminister Olbertz wendet sich mit einem Brief an alle Grundschulen des Landes

 

 

Mit einem Brief hat sich Sachsen-Anhalts Kultusminister Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz zu Beginn der Woche direkt an alle Grundschulen des Landes Sachsen-Anhalt gewandt. In dem Brief gibt der Minister unter anderem Hinweise und Ratschläge zur konkreten Umsetzung der verlässlichen Grundschule zum kommenden Schuljahr. Die Schulgesetzänderung war am 19. Juli 2002 vom Landtag von Sachsen-Anhalt beschlossen worden.

 

Zu Ihrer Information erhalten Sie anliegend eine Kopie des Grundschulbriefes.

 

 

 

Dr. Brigitte Deckstein

(Pressesprecherin)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An alle Grundschulen

des Landes Sachsen-Anhalt

 

19. Juli 2002

 

Liebe Lehrerinnen und Lehrer der Grundschulen,

 

mit diesem Brief möchte ich Ihnen einen guten und glücklichen Start in das Schuljahr 2002/03 wünschen. Ich hoffe, Sie sind gut erholt aus den Sommerferien zurück und treten mit Freude und Zuversicht Ihren verantwortungsvollen Dienst wieder an.

 

Wie Sie wissen, geben die PISA-Ergebnisse allen Anlass zur Beunruhigung, gerade in Sachsen-Anhalt. Wenn ich in den letzten Wochen immer wieder die besondere Bedeutung der Grundschulen hervorgehoben habe, dann nicht deshalb, weil ich den Grundschulen oder gar Ihnen als Lehrerinnen und Lehrern das schlechte Abschneiden unseres Bundeslandes anlaste. Im Gegenteil, ich habe großen Respekt vor Ihrer verantwortungsvollen Arbeit. Um die Grund-schule geht es mir vor allem deshalb, weil man so früh wie möglich an die wache, natürliche Intelligenz und die Lernoffenheit der Kinder anknüpfen sollte. änderungen in der Schule wirken sich nur sehr langsam aus - auch deshalb mache ich immer wieder auf die besondere Bedeutung der Grundschulen aufmerksam. Schon heute müssen wir bedenken, dass die Schülerinnen und Schüler, die voraussichtlich im Jahr 2009 wieder in eine PISA-Untersuchung mit dem Schwerpunkt Lesefähigkeit einbezogen werden, genau jetzt eingeschult werden.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie wissen, hat der Landtag unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen, die festen öffnungszeiten der Grundschule in verlässliche öffnungszeiten (weiterhin 5 ½ Stunden) umzuwandeln. Der entsprechende Verordnungsentwurf, der sich bereits im Anhörungsverfahren befindet, sieht vor, dass für die Eingangs- und die Ausgangsphase an Tagen mit vier Unterrichtsstunden mindestens 75 Minuten und an Tagen mit fünf Unterrichtsstunden etwa 30 Minuten zur Verfügung stehen sollen. Der Unterricht soll in Unterrichtsblöcken organisiert werden. Die Eingangs- und die Ausgangsphase sowie mindestens eine kreative Entspannungsphase zwischen den Unterrichtsblöcken sind weiterhin pädagogisch auszugestalten.

 

Die Pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden weiterhin gebraucht, nicht nur für die Eingangs- und die Ausgangsphase, sondern auch für die Unterstützung des Unterrichts. Was aber vorher durch eine staatliche Anwesenheitspflicht der Kinder geregelt wurde, soll nun über die Qualität der Angebote entschieden werden. Ich weiß sehr wohl, dass die Zeit knapp ist, um die Unterrichtsabläufe entsprechend zu organisieren. Bitte informieren Sie die Eltern so schnell wie möglich über die vorgesehenen Angebote in der Eingangs- und Ausgangsphase und über die Zeiten, in denen die Kinder freiwillig an den schulischen Angeboten teilnehmen können. Selbstverständlich muss nicht alles vom ersten Tag an bereits perfekt funktionieren. Dafür werden auch die Eltern Verständnis haben, wenn Sie von Ihnen gut informiert und in die notwendigen Diskussionen einbezogen werden.

 

Viel wichtiger als diese formale Neuregelung zu den öffnungszeiten ist das Vorhaben der Landesregierung, die Lernfunktion der Grundschule insgesamt zu stärken. Gerade die Grundschule muss den Unterschied des Lernens gegenüber anderen Formen individueller und sozialer Aktivität erfahrbar machen und es in seiner Eigenständigkeit kultivieren. Sie soll sich stärker als bisher auf ihre primäre Funktion, das systematische und konzentrierte Lernen besinnen . Ich will keine Paukschule, aber eine Lernschule. Vor allem geht es darum, im Unterricht selbst moderne und zugleich verbindliche Formen der Vermittlung und dauerhaften Festigung elementaren Wissens und Könnens zu praktizieren.

 

Ohne die sichere Beherrschung der sogenannten Kulturtechniken gibt es keinen erfolgreichen Bildungsweg, denn Bildung ist an Kommunikation gebunden. Wenn die Kinder dafür das "Handwerkszeug" nicht beherrschen, können sie nicht erfolgreich weiterlernen. Zu diesen Kulturtechniken gehören Buchstaben-, Wort- und Satzverständnis, Lese- und Schreibroutine, Zahlen- und Mengenverständnis, Beherrschung der grundlegenden Rechenoperationen sowie kulturelles Basiswissen in Gestalt von Grundwissen aus der Natur, von Geschichten, Gedichten, Liedern usw. Diese wichtigen Grundkompetenzen müssen in der Grundschule mit großer Konzentration und Ernsthaftigkeit eingeübt werden.

 

Dazu gehört unter anderem, dass

 

 

 

von den Kindern etwas erwartet wird, d.h. dass sie durch Forderungen gefördert werden und in ihrer natürlichen Lernfreude Bestätigung erfahren,

in nachvollziehbaren Schritten gelernt wird, dass es klare Leistungserwartungen mit Erfolgs- und Misserfolgsmeldungen gibt,

durchaus auch traditionelle Lernrituale gepflegt werden, die deutlich machen, dass der Unterricht beginnt. Ich kann ¿ ohne dies für alle vorschreiben zu wollen ¿ nichts Verkehrtes darin sehen, dass die Kinder z.B. aufstehen, wenn Sie den Klassenraum betreten, und Ihren Gruß gemeinsam erwidern, oder dass die erste Unterrichtsstunde mit einem gemeinsamen Lied begonnen wird,

wichtige Wissensbestände und Regeln ggf. auch auswendig gelernt und entsprechend abgefragt werden,

intensiv geübt, in Ruhe und Muße wiederholt und gefestigt wird, wobei an grundlegenden Dingen lange genug zu verweilen und immer wieder darauf zurückzukommen ist,

Sie engen Kontakt mit den Eltern halten und mit ihnen unmittelbar ins Gespräch kommen. Dies gilt umso mehr, wenn Lernschwierig-keiten auftreten oder besondere Fördermaßnahmen ins Auge zu fassen sind,

strikt auf die Vollständigkeit und Ordnung der Schulmaterialen geachtet wird,

regelmäßig ¿ und sei es anfangs in geringem Umfang ¿ Hausauf-gaben erteilt werden, deren Erledigung von den Eltern abzuzeichnen und von Ihnen konsequent zu kontrollieren ist,

von Anfang an Störungen der Unterrichtsdisziplin nicht toleriert werden, sondern unmittelbar auf die betreffenden Schüler ¿ ggf. unter Einbeziehung der Eltern ¿ eingewirkt wird.

 

 

Vieles Weitere gehört dazu, und ich vertraue ganz auf Ihr pädagogisches Können und Ihre Unterrichtserfahrungen, um dies alles sorgfältig im Auge zu behalten. In Kürze sollen auch wieder früher als bisher Zensuren erteilt werden, was natürlich einen pädagogisch bedachten und behutsamen Einsatz dieses wichtigen Instruments voraussetzt. Schon vor dem Gebrauch von Zensuren sollen die Kinder von Anfang an durch eine aussagefähige Bewertung ihrer Leistungen begleitet werden. Gerade am Anfang des schulischen Lernens dient dies der Be-stätigung und Ermutigung, nicht hauptsächlich der Aufforderung zur Korrektur bisherigen Lernverhaltens. Später tritt natürlich auch diese wichtige Funktion der Leistungsrückmeldung hinzu.

 

Alle diese Dinge werde ich, soweit es nötig ist, in den nächsten Wochen und Monaten auch in Gestalt von Erlassen und Verordnungen regeln. Noch lieber allerdings wäre mir, wenn es dessen gar nicht bedürfte, sondern wenn Sie sich schon durch diesen Brief ermutigen ließen, entsprechend fortzufahren, wo es bereits einen gut gestalteten Lernalltag der Grundschule gibt, und ansonsten diese Anregungen in Ihre Arbeit aufzunehmen. Guter Unterricht lebt weniger von formalen Vorschriften als von der Bereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer, Engagement und pädagogisches Fachwissen für die Bewältigung neuer Herausforderungen einzusetzen. Ein so gestalteter Unterricht bringt Ihnen und den Kindern Erfolg, Freude und Bestätigung.

 

Gerade die Lernfreude ist etwas sehr Wichtiges. In der Grundschule sind Lernen und Spielen zu Hause, aber als unterschiedliche Dinge, und der Unterschied muss in der Schule erfahrbar werden. Lernspaß darf nicht Lernunterbrechung zur Voraussetzung haben, sondern soll aus der Art und Weise der Wissensvermittlung im Unterricht erwachsen.

 

Ich finde, dass Sie einen wundervollen Beruf ausüben. Es ist mir wichtig, dass die Ihnen anvertrauten Kinder nachhaltig und erfolgreich lernen, und dass Sie, die Lehrerinnen und Lehrer, die dafür erforderlichen Gestaltungsspielräume bei Ihrer Arbeit haben.

 

In diesem Sinne übermittle ich Ihnen herzliche Grüße zum Schuljahresbeginn.

 

Ihr

 

Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz

 

 

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